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Funkamt Nauen - heutige Rundfunksendestelle

Vorschaubild Funkamt Nauen - heutige Rundfunksendestelle

Vorschaubild Funkamt Nauen - heutige Rundfunksendestelle

Nauen gehört zu jenen Städten, die mit dem technischen Fortschritt in ganz besonderer Weise verbunden sind: Am 19. August 1906 wurde, für jeden sichtbar, ein neues Kapitel in der Nauener stadtgeschichte aufgeschlagen. An diesem Tag wurde die "Großfunkstelle für drahtlose Telegraphie" in Betrieb genommen. Aber der Reihe nach:

 

Anfang des 20. Jahrhundert erkannte die englische Marconi-Gesellschaft, dass mit der drahtlosen Telegraphie viel Geld zu verdienen sei, und begann die Welt mit einem Netz von Funkstationen zu überziehen. In Deutschland stritt man sich derweil noch um Patente, denn statt Marconi mit einem System der Funktelegraphie entgegenzutreten, hatte man gleich zwei erfunden. Das eine lag bei der AEG und ihrem Schöpfern Prof. Adolf Slaby und seinem Assistenten Graf Georg von Arco, das Zweite bei Siemens & Halske und seinem Erfinder Ferdinand Braun. Schließlich beschlossen die beiden Firmenchefs Emil Rathenau und Werner von Siemens Zusammenarbeit und gründeten 1903 in Berlin die "Gesellschaft für drahtlose Telegraphie". Als Geschäftsmarke wurde der Name Telefunken gefunden. Und nun ging der Reichweitenwettbewerb los.

 

Zuerst vom Dach des Kraftwerks Oberspree der Berliner Elektrizitätswerke in Oberschöneweide, das über eine Art Hühnerleiter erklommen werden musste. Jetzt kommt der Name Hans Bredow ins Spiel, der 1904 in das junge Unternehmen eingetreten war und schon bald Leiter der "Verkehrsabteilung" wurde, einem Bindeglied zwischen Entwicklungs- und der kaufmännischen Abteilung. Bredow erkannte, dass die drahtlose Telegraphie nicht über Hühnerleiter in den technischen Himmel gelangen würde. Er schaffte es, Rathenau und von Siemens vom Bau einer Versuchsstation zu überzeugen, die zur Erprobung von Großsendern dienen sollte.

 

Und jetzt sind wir in Nauen. Eine schwierige Frage beim Bau der Versuchstation bildete die Geländebeschaffung. Die Anlage sollte nicht weit von Berlin liegen, in dessen Umgebung die Bodenpreise sehr hoch waren. Im havelländischen Luch, etwa 4 km von der Bahnstation Nauen an der Strecke Berlin - Wittenberg - Hamburg, stellte der Fideikommisbesitzer Stoltze auf Neukammer gegen geringe Pacht das notwendige gut geeignete Wiesengelände aus Interesse für die gute Sache zur Verfügung. Das war ausschlaggebend für die Wahl des Platzes, denn billiger konnte man ein so großes Gelände von 30 bis 40.000 qm Fläche in verhältnismäßig guter Lage nicht erhalten.

 

Auch wenn die Einwohner Nauens anfangs glaubten, dass das, was da 1906 vor ihrer Haustür entstand, eines Tages spurlos, wie früher mancher Ritter in schwerer Rüstung, in der sumpfigen Tiefe verschwinden würde. Aber eine Generation später stand das waghalsige Unternehmen immer noch, und Nauen war mittlerweile zur weltweit größten Funkstation und die Stationskennung POZ zum Begriff geworden.

 

Wenn telegrafiert werden sollte, musste damals ein Heizer erst einmal eine Schaufel Kohlen in den Kessel einer Dampfmaschine mit Wechselstromgenerator nachlegen. Die per Knallfunken erzeugten Morsesignale hatten anfangs gewiss keine größere Reichweite als die durch sie verbreiteten Schallwellen: Das infernalische Getöse war noch in mehreren Kilometern Entfernung mit bloßem Trommelfell zu empfangen. Doch schon 1908/09 konnten die Signale aus Nauen von den Telefunken-Stationen Norddeich (400 km), Rigi-Scheidegg (800 km) und im 1.300 km entfernten St. Petersburg einwandfrei empfangen werden.

 

Schon 1911 wurden die 5.000 km entfernten deutschen Kolonien Kamerun und Togo auf drahtlosem Wege erreicht.

 

Hans Bredow, Telefunken-Direktor und später Staatssekretär des Reichspostministeriums, schickte 1913 von Nauen aus das erste Telegramm nach Amerika, und bereits im I. Weltkrieg warnte der jetzige Tonfunksender, bei ständig aufgerüsteter Leistung, die deutschen Schiffe im Atlantik.
 
Nun wurden auch größere Senderäumlichkeiten erforderlich. Der Werkbund-Architekt Hermann Muthesius (1861 -1927) errichtete 1919 einen charakteristischen Industriebau, der 1920 von Reichspräsident Friedrich Ebert eingeweiht wurde. Bald gab es sogar Ansichtskarten von dem Sach- und Prachtbau, später stand "Transradio" in großen Lettern an dem Klinkerbau. Der Muthesius-Bau wurde auch unter Marketing-Gesichtspunkten errichtet: Im vorderen Bereich empfängt den Besucher ein repräsentativer Vortragsraum, von dem aus prominente Gäste oder potentielle Kunden über Galerien rund um den Sendesaal geführt werden können. Nauen wurde so zu einem Wallfahrtsort für Technikfans aller Art.  Schon in den Jahren 1910/11 zählte die Funkstelle 15.000 Besucher pro Jahr. 1981 wurde der Muthesius-Bau unter Denkmalschutz gestellt.


Ab 1922 wurde mit insgesamt 4 riesigen Maschinenfunksendern in alle Welt ausgestrahlt. Anfang 1932 ging die Großfunkstelle für knapp 23 Mio. Reichsmark von der Transradio AG in das Eigentum der Deutschen Reichspost über, die Nauen dann zum Weltfunkzentrum ausbaute. Jahre später herrschte völlige Funkstille. Ende April 1945 besetzten sowjetische Truppen das Gelände und demontierten die gesamte Anlage.
 
Erst ab 1955 begann die DDR mit dem Aufbau eines Kurzwellenzentrums, 1956 entstand das "Funkamt Nauen". Von hier wurden das "Nauener Zeitzeichen", der zentrale Wetterdienst sowie alle ADN-Nachrichten gesendet.  "RBI", Radio Berlin International, hieß die Stimme der deutschen Einheitssozialisten, die sich vermittels neuer Kurzwellenantennen ab 1959 ständig stärker auf den Funkfrequenzen der Welt vernehmen ließ.
 
Drei Jahrzehnte später stellte RBI seinen Betrieb ein, exakt am 3. Oktober 1990. Nahtlos übernahm die deutsche Welle (DW) die Frequenzen. Der Auslandssender der BRD ist seitdem mit seinen Programmen auch aus Nauen im Äther zu vernehmen - zu hören noch mit dem kleinsten KW-Taschenradio in fast jedem Winkel der Erde.

 

Das "Funkamt Nauen" wurde 1990 aufgelöst. Anfang 1991 übernahm die deutsche Bundespost, inzwischen die Telekom, die Station. Nutzer der Anlagen wird die DW mindestens noch bis zum Jahr 2016 sein. Voraussetzung dafür: Sendertechnik auf dem neuesten Stand. So wurde Mitte der 90er Jahre die Station Nauen grundlegend saniert und modernisiert. Mit beträchtlichem Aufwand sanierte die Telekom das Muthesius-Gebäude, modernisierte eine DDR-Sendeeinheit von 1964 und baute vier neue Drehstandantennen mit jeweils integriertem Sendegebäude, so dass 1997 die Kurzwellen-Sendestation eingeweiht werden konnte.  Die Kurzwellen-Drehantennen sowie der Leitplatz für Fernbedienung und Steuerung gehören zu den modernsten Geräten, die auf dem Weltmarkt vertrieben werden.
 
Seit 1998 ist es eine kleine Tradition, einmal im Jahr, zum europäischen "Tag des offenen Denkmals" am zweiten Sonntag im September (genaueres erfahren Sie im Veranstaltungskalender), das Gelände des Senders Nauen der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Eine Ausstellung in den Muthesiusbau-Hallen, angereichert mit vielen alten Original-Sachzeugen der Vergangenheit informiert über die Geschichte und Gegenwart der Sendeanlage.

  

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Informationen, die von den Nauener Heimatfreunden zusammen getragen wurden, finden Sie unter:

www.funkstadt-nauen.de